Mein Leid Wird Euer sein
Tommy spuckte das Blut und den Sand aus. Ihre Gelenke
schmerzten beim Aufstehen, wobei sie nicht den Blick vom Meer ließ, in dem sich
der rotgefärbte Himmel spiegelte. Normalerweise wachte sie in ihrem Bett auf.
Diesmal nicht. Sie sah sich um. Der Strand, auf dem sie erwachte, erstreckte
sich zur Linken bis an den Horizont, zur
Rechten wurde er jäh durch eine künstliche Felsmauer unterbrochen. In einem der
Felsen, etwas abseits der Wand, steckte ein Auto. Das Auto ihrer Mutter. Seit
ein paar Wochen hatte Tommy den Führerschein und lieh es sich gelegentlich. Die
Windschutzscheibe lag in Scherben auf der eingedrückten Motorhaube, am
Rückspiegel hing eine Engelsfigur die ihren Dienst als Schutzengel wohl versagt
hatte.
Eigentlich tat Tommy
der Figur damit Unrecht, dachte sie, dem Schaden am Auto nach zu
urteilen war ihr fast unverletzter Zustand nicht gerade selbstverständlich.
Aber vielleicht war sie auch gar nicht am Unfall beteiligt. Tommy konnte sich
an nichts erinnern. Sie sollte erst
einmal Zuhause anrufen und ihren Eltern sagen dass sie irgendwo einen Unfall
gebaut hat. Sie zog das verschrammte Touchscreen-Handy aus ihrer Hosentasche,
das sie mit der Anzeige „Kein Signal“ begrüßte. Typisch.
Jedoch konnte ihr Handy sie mit der derzeitigen Uhrzeit
versorgen, es war 19:04 Uhr. Um sich vor der kalten Nacht zu schützen suchte
sie das Autowrack nach einer Jacke ab, fand jedoch nur eine Taschenlampe die
hoffentlich noch genügend Saft hatte. Sie trug nur ein T-Shirt und Shorts,
damit konnte man in südlichen Ländern vielleicht nachts rumlaufen aber nicht
hier in Deutschland.
Es schien längere Zeit windstill gewesen zu sein, die
Reifenspuren ließen sich im Sand immer noch deutlich erkennen. Was Tommy
beunruhigte war dass der Strand in eine Wüste überzugehen schien. So etwas war
hier echt nicht üblich. Sie folgte den Reifenspuren, irgendwann müssten sie zu
einer Straße führen und die wiederum in eine Stadt in der es bestimmt
funktionierende Telefone gab.
Nach einiger Zeit tauchte eine Straße aus dem Sand auf. Sie
fing mitten im Nichts an. Das fand Tommy leicht merkwürdig, tat es aber mit der
Erklärung ab dass diese Straße wohl noch in Arbeit sei. Sie machte sich schon
genug Gedanken darum wie sie überhaupt hier gelandet ist, da brauchte sie sich
nicht auch noch mit dieser Frage quälen.
Als ihr Tempo sich auf ein Minimum beschränkte und sie sich
grade noch so weiterschleppen konnte kam sie an einer Tankstelle an. Obwohl an
den Fenster große Plakate mit der Aufschrift „Rund um die Uhr geöffnet!“
klebten schien kein Angestellter im Tankstellenshop zu sein. Vielleicht war
dieser auch gerade im Personalbereich. Zumindest müsste sie hier ein Telefon
finden oder könnte hier wenigstens übernachten. Die Tür öffnete sich
automatisch und sie betrat den Laden.
„Hallo?“, krächzte sie. Niemand kam. Nach einigem Warten
schlich sie sich hinter die Theke und versuchte die Tür zum Personalbereich zu
öffnen. Verschlossen. Kurz dachte Tommy nach sich einfach was aus den Regalen
zu nehmen, sie hatte Hunger und Durst, entschied sich jedoch dagegen, sie war
davon überzeugt dass sie nicht alleine war. Sie lauschte ob sie hinter der Tür
Geräusche hören konnte. Es war still. Nichts regte sich.
„Tomke?“
Tommy zuckte zusammen und fuhr herum.
The floor is cold. It smells bad. Something
rolls off her arm and hits the floor. A syringe. What happened? Did that thing
stick in her arm? Where the hell is she? She lies on the floor right beneath a
smelly toilet in a small cabin. Definitely not the place she would want to wake
up at. Was she hurt? No. Everything seems fine. Except that her head feels like
it’s about to burst. She feels miserable. After some time she manages to get
up. Her legs are so weak. She wants out. She gets out of the cabin. It seems
like she is in some public restroom. She feels dirty. She goes over to the sink
and washes her hands and face. On the other side of the mirror was a zombie
looking at her. She couldn’t wash it away. She slowly stumbles out the door.
She was hungry. She enters a gas station shop. There was another person there.
The ponytail and that blue baggy t-shirt.
“Tomke? Is
that you?”
The girl
jumps and turns around.
“…
Henrietta? What the hell are you doing here?”
“You tell
me. Fuck, I’ve got such a headache.”
Tommy just
arrived to catch her friend before she could land on the floor.
“Are you
okay?”
“Fuck, no…”
“Dude, just
hang on, I’ll fix you.”
Tommy got
Henrietta something to eat and drink. She was sure the shopkeeper would
understand. Maybe that’ll make her feel better. Probably not.
“Tommy,
where the hell are we?”
“I don’t
know Henry…”
“Well, how
did you get here?”
“I woke up
at the beach. I had a car accident.”
“Shit, are
you alright?”
“Yeah, I’m
fine.”
“But where
is a beach anywhere near where we live?
“I guess I fell asleep and accidentally drove
all the way up to the coast.”
“Do you
have a navigation system in your car?”
“No, I
don’t… I have an app for that, but my phone gets no signal.”
“There has
to be a way for us to find out where we are.”
“Let’s wait
here until the shopkeeper comes back.”
“I don’t
want to sleep here.”
“Well,
either here or outside with the monsters.”
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Es war so dunkel. Jedenfalls dachte Jackie, dass es dunkel
war. Es war schwer zu sagen ohne Augen. Ihr Hals tat weh. Rostige Nadeln
innerhalb des Halsbandes bohrten sich durch ihr Fleisch. Das Halsband war an
die Wand gekettet. Blut tropfte aus ihren leeren Augenhöhlen. Sie konnte sich
nicht umsehen, konnte nur ein Stück des Bodens erfühlen. Kalter Stahl. Sie
wollte um Hilfe schreien, doch die Worte starben in ihrer trockenen Kehle. Sie
war so durstig. Es tat weh.
Trotzdem fühlte sich ihr Körper besser an. Als hätte sie
viel zu enge Kleidung gegen gemütliche Pyjamas getauscht. Keine steifen Knochen
die die Bewegung einschränkten. Wenn Bewegung nur nicht so weh tun würde. Sie
versuchte die Kette mit einem Ruck aus der Wand zu reißen, es ließ sie aber nur
vor Schmerz aufjaulen. Dann saß sie nur da. Wartete. Sie wusste nicht wie
lange.
Der Durst wurde
unerträglich. Sie leckte nach jedem Blutstropfen der aus ihren Augen kam, doch
das reichte nicht. Sie bräuchte eine größere Wunde, dachte sie. Mehr Blut.
Wahnsinn. Sie grub ihre Zähne in ihren Unterarm. Sie waren ungewohnt scharf und
drangen ohne Probleme bis zum Knochen durch. Vor Schreck riss sie ihren Arm
weg. Ein großer Fleischfetzen blieb zwischen ihren Zähnen. Der Schmerz war
unbeschreiblich, doch sie wollte keinen Tropfen vergeuden. Du bist wahnsinnig.
Wie lange bist du hier schon? Ein paar Tage? Und du fängst schon an dich selbst
zu essen? Sie wusste nicht wie viele Tage es waren. Sie legte sich zur Seite
und knabberte an dem Fleischstück herum. Hatte sie überhaupt schon einmal
geschlafen? Waren vielleicht erst wenige Stunden vergangen? Sie wollte schlafen
doch Schmerz hielt sie wach. Nach einiger Zeit spürte sie ihn nicht mehr. Sie setzte
sich wieder aufrecht. Das Fleisch an ihrem Arm war nachgewachsen. So große
Wunden können doch gar nicht von allein zuwachsen, oder? Niemand beantwortete
die stumme Frage.
So allein.
War da ein Geräusch? Jackie lauschte.
„Hallo?“
Keine Antwort.
Lautes Atmen. Jemand war da.
„Wer ist da?“
„Bleib weg von mir okay?!“
Die Stimme war verängstigt.
„Wer bist du?“
„Was bist DU?!
„Ich bin Jackie, kurz für Jacklyn.“
„Ich fragte was du bist.“
„Ein Mensch.“
„Ja klar, was ist mit deinen Reißzähnen?“
Darauf wusste Jackie keine Antwort.
„Du bist ein Monster. Warum würde man dich sonst hier
festketten? Dir die Augen ausstechen?“
„Vielleicht… bin ich nicht mehr so menschlich. Aber ich
werde dir nichts tun, versprochen!“
„Und wenn du das nächste Mal Hunger kriegst beißt du in dein
eigenes Fleisch anstatt in meins?“
„… Ja.“
„Wer’s glaubt.“
Stille.
„Wie heißt du?“
„Alice.“
„… Bist du ein Mensch Alice?“
„Nein.“
„Was dann?“
„Ich weiß es nicht.“
„… Wo sind wir?“
„Gefangen.“
„Kommen wir hier raus?“
„Nein.“
„Ich glaube dir nicht.“
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